Berlin Du lässt mich nicht los...
Es gab eine Zeit, in der ich tatsächlich dachte, ein reines Landmodell zu sein. Mit Hang zum Garten, Ruhe, einem beschaulichen Miteinander und langen Spaziergängen am Starnberger See. Zum Weinen ging ich in den Keller, lachen bitte nicht zu laut und nicht zu viele Zähne zeigend. Angepasst, freundlich, unauffällig, sich mit der Gruppe bewegend, nicht gegen den Strom schwimmend, es könnte sich ja irgendjemand, irgendwann, irgendwie gestört bzw. verletzt fühlen. So gestaltete sich mein Leben. Ich zeigte, was ich kann und habe und versteckte was nicht sein durfte.
Ich würde sagen, dass ich ein ganz normales Leben in einer ganz normalen kleinstädtischen bzw. dörflichen Gemeinde in Oberbayern führte. Und dieses Leben hätte ich niemals in Frage gestellt.
Oberbayern ist traumhaft schön. Ein landschaftliches Paradies, in dem die See- und Bergluft in etwa dem Reinheitsgebot des bayrischen Bieres entspricht. Der oberbayerische Mensch als solcher besitzt einen großen Charme, legt Wert auf Tradition und ein gutes Miteinander und ist in der Regel einfach nur liebenswert.
Meine beiden Söhne hatten die oberbayerische Idylle schon verlassen und lebten in Berlin. Ohne Zweifel kann ich sagen, dass mich die ersten Besuche in Berlin erschütterten. 4 Tage waren das maximal Erträgliche für mich. Berlin ist unmittelbar. Damals nahezu unerträglich nah für mich. Die vielen Menschen, die größtenteils außerhalb jeglicher Kontrolle schienen, der Lärm, der Dreck, diese unglaublichen Sümpfe des Lebens, die offen gezeigt werden. Nein, das ging einfach nicht für mich. So ein Leben war nicht kompatibel mit mir! Lange blieb mir selbst verborgen, dass diese wenigen Besuche in unserer Hauptstadt eine Veränderung in mir bewirkten. In Bayern hatte ich wunderbare Freunde, eine Arbeit, die mich erfüllte und interessante Menschen, die zu mir kamen. Dennoch war da dieses Gefühl der Leere. Komisch, ich hatte alles, was man brauchte, eigentlich müsste ich glücklich sein. Eigentlich ....
Wäre da nicht das Gefühl gewesen, dass keiner zu Hause ist, wenn ich bei mir anklopfte. Wäre da nicht dieses leise Pochen der Sehnsucht nach Leben gewesen.
Bedingt durch meine Arbeit war ich es gewohnt, mich in Selbstreflektion zu üben. Konditionierung, Muster und Glaubenssätze zu erkennen und zu integrieren. Aber das hier war etwas Anderes und etwas völlig Neues. Tiefer, mächtiger, unkontrollierbarer als alles, was ich bislang kannte, das Gefühl, bereit zu sein aus dem Käfig zu springen, in ein mir unbekanntes Land. Nicht wissend, ob es ein Netz gibt, das mich auffängt, wenn ich springe und falle.
Das Unumgängliche geschah: Innerhalb von 8 Wochen verabschiedete ich mich aus meinem alten, beschaulichen Leben. Mein Hab und Gut, das ich unter Tränen auf eine Sprinterladung reduziert hatte, war bei einer Freundin untergestellt. Mit meinem zweit geborenen Sohn, meiner Schwiegertochter und meiner Enkeltochter, die mir liebevoll eine Brücke in mein neues Leben bauten, reiste ich nach Berlin.
Erstmal nur für ein paar Monate, erst mal nur zum Schauen. Wenn ich wollte, könnte ich ja jederzeit zurück. So war mein Plan und dieser Plan trat im August 2014 in Kraft.
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Inge Brylla GreifswalderStraße 220 10405 Berlin info@ingebrylla.de TEL: 030 688 39 797 Impressum / Datenschutz